Traditionelle orale Musik aus dem Maghreb und dem Mashriq und die numerische Codierung der Partitionen / Transkriptionen
Die Musik der nordafrikanischen Länder, des Nahen Ostens und des Mittelmeerraums basieren auf einer ORALEN TRADITION. Seit dem 19. Jahrhundert wurden zahlreiche Tonaufnahmen gemacht, gleichzeitig wurde diese Musik von lokalen « Musikwissenschaftlern » mit Hilfe der westlichen Musiknotation niedergeschrieben. Jedoch können wir hier nicht von wirklichen Musik PARTITIONEN sprechen, sondern von TRANSKRIPTIONEN, da, ursprünglich, diese Musik nicht komponiert wurde, also nicht aus einer Schrift hervorging, sondern ausnahmslos als Resultat von auf musikalischen Modi, den MAQÂMS, basierenden IMPROVISATIONEN und INTERPRETATIONEN verstanden werden muss. Diese Improvisationen haben einen komplexen Aufbau, abhängig von der Organisation der Riten, meistens basierend auf einer ORALEN LITERATUR – Erzählungen, Epen, Liebesgesänge – die die musikalische Form ihrerseits mitbeeinflussen. Diese intime Beziehung zwischen Wort und Musik ist charakteristisch für die Musik aus dem Maghreb und dem Mashriq, wo die Poesie eigentlich als höchste Form künstlerischer Kreation angesehen wird, noch vor Architektur, Malerie, Skulptur…
Die numerische Codierung der Transkriptionen muss also nicht nur die musikalische Ausdrucksart berücksichtigen, sondern auch die damit verbundene Gestik und die textuellen Inhalte. Numerische Codierstandarts wie MEI « Music Encoding Initiative » und TEI « Text Encoding Initiative » können als exzellente Werkzeuge verstanden werden, mit denen eine Musik kodiert werden kann, die regelmässig « Ausführungshinweise » enthält – das heisst : verbale oder niedergeschriebene Indikationen, die die Interpretationsweise erklären.
(Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche: Andreas Kostajnsek)